Aktuelles
Besuch bei Luis Buslay in Kolumbien
Seit vier Jahren arbeitet Luis Buslay als Trainer in Kolumbien und betreibt dort intensiv Entwicklungshilfe. Der 32-Jährige frühere Germane sieht in den Anden großes Potenzial – doch der Weg ist nicht einfach in einem Land, das von einem jahrelangem Bürgerkrieg geprägt wurde und sich endlich in einem Friedensprozess befindet. Maren Derlien und Detlev Seyb (MeinRuderbild.de) besuchten Luis in Guatapé.
Luis, wie bist Du nach Kolumbien gekommen?
Meine Eltern haben sich in der Entwicklungshilfe engagiert, speziell für den zivilen Friedensdienst in Kolumbien. Ich selbst war als Kind einmal dort, mit zweieinhalb Jahren. Über die Jahre habe ich sehr viel erfahren über Kolumbien und die Menschen dort. Den beruflichen Kontakt hat dann der Leiter der deutschen Schule in Medellín, Dominik Scheuten, hergestellt. Ihn kannte ich vom Schülerrudern in Erkrath, er war eineinhalb Jahre mein Lehrer am Gymnasium am Neandertal Erkrath und er hat mich gefragt, ob ich den Rudersport in Kolumbien aufbauen möchte.
Wann hast Du mit dem Rudern und dann später als Trainer begonnen?
Ich habe 1997 mit dem Rudern begonnen. Erst in der Schülerrudergemeinschaft Erkrath. Dann im Verein beim RC Germania Düsseldorf. Nach vier Jahren Leistungssport (zwei Jahre U19 und zwei Jahre U23) und einer kurzen Pause für den Start ins Studium (Physik an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf) habe ich 2005 als Trainer begonnen. 2009 habe ich meine A-Trainer-Lizenz gemacht.
Welche Möglichkeiten bieten sich den Ruderern an Deinem Standort?
2010 fanden die Südamerikanischen Meisterschaften in Medellín statt. In Guatapé, wo ich heute als Trainer arbeite, wurden die Wettbewerbe für Rudern, Kanu, Segeln und Triathlon ausgetragen. Dafür wurden 30 Wintech-Ruderboote angeschafft – 12 Einer, 10 Doppelzweier und 8 Doppelvierer. Eine gute Basis, um etwas aufzubauen, aber in Guatapé gab es keine Rudervereine und keine Ruderer. Als mich Dominik Scheuten ins Gespräch um die Trainerstelle brachte, war ich zunächst überrascht, dass Kolumbien mit 48 Millionen Einwohnern keine Ruderer hatte – außer einige wenige, die außerhalb des Landes studierten, aber eben nicht hier vor Ort trainierten. Dabei gehört Kolumbien wirtschaftlich und sportlich zu den führenden Kräften Lateinamerikas. In Guatapé gab es neben den Booten auch schon ein Trainingszentrum und eben ganz viel Wasser, 20 Kilometer auf dem Lake Guatapé, auf denen wir sehr gut trainieren können. Das Ruderrevier ist durch die vielen Inseln so interessant, dass wir vier verschiedene Regattastrecken anbieten können. Wir rudern hier auf rund 2000 Meter Höhe, durch die Nähe zum Äquator haben wir ein sehr mildes Klima. 19 Grad Durchschnittstemperatur. Tagsüber Sonne, nachts Regen. Was willst du mehr? In unserem Trainingszentrum, der Villa Nautica, verfügen wir über 70 Betten, Guatapé selbst bietet auch viele Übernachtungsmöglichkeiten von Hostels bis zu guten Hotels mit insgesamt über 4000 Betten, so dass wir auch auswärtigen Nationen und Vereinen gute Bedingungen für Trainingslager anbieten können. Vereinzelt (Sarah Breucker, Andi Bremen, Lukas Böhmer und Konrad Holtkamp) waren schon ein paar Germanen zu Besuch, aber ich würde mich natürlich auch sehr darüber freuen, wenn mal eine ganze Gruppe von der Germania zu einem Trainingslager oder einer Ruderwanderfahrt rüberkommen würde.
Kolumbien galt über viele Jahre als sehr unsicheres Land in Südamerika. Wie überzeugst Du die Vereine, nach Guatapé zu kommen?
Ja, es ist richtig: Kolumbien war über viele Jahre durch den Bürgerkrieg und Machenschaften von Drogenbanden kein ruhiger Ort. Das hat sich jedoch gewaltig geändert. Der Friedensprozess in der jüngsten Zeit hat dem Land und den Menschen Stabilität gebracht, es gibt nur noch wenige Gebiete, die als gefährlich gelten. Es kommen immer mehr Touristen in ein Land, das so viel Faszinierendes zu bieten hat. Die Vielfalt ist gigantisch. Klimatisch. Landschaftlich. Hier gibt es die größte Artenvielfalt nach Brasilien, es ist eines der wasserreichsten Länder der Erde. Hier leben die unterschiedlichsten Menschen aus verschiedensten Kulturen. Es gibt eben so unbeschreiblich viel auf engstem Raum. Überzeugt Euch selbst. Es lohnt sich. Wirklich!
Wann hast Du mit dem Projekt begonnen?
Im Winter 2011/2012 habe ich mich zum ersten Mal in Kolumbien vorgestellt – fünf Wochen lang. Mein damaliger Verein, der RC Germania Düsseldorf, hat mir dies ermöglicht und dafür bin ich ihm sehr dankbar, weil ich ja in Deutschland weiterhin gearbeitet habe und meine Mannschaften auf die Saison 2012 vorbereiten musste. Für mich war schnell klar, dass dies eine große Chance ist und so habe ich am 4. Februar 2013 offiziell in Guatapé als Trainer angefangen. Mein Arbeitgeber ist der Landessportbund Antioquia. Ich habe zunächst elf Monate auf Probe gearbeitet. Dann folgten viele Zeitverträge. Für mich steht fest: Ich fühle mich hier wohl und ich möchte hier in Kolumbien bleiben.
Wie hat sich das Rudern in den letzten vier Jahren entwickelt?
Als ich 2013 startete, gab es nur wenige kolumbianische Ruderer in anderen Ländern. Wie zum Beispiel Rodrigo Ideus Forero, der an mehreren Weltmeisterschaften teilgenommen hat und an den Olympischen Spielen in Peking. Er war der erste und bislang einzige Olympia-Teilnehmer im Rudern. Er hat das Rudern im Ausland erlernt wie alle anderen, die bislang international für Kolumbien gestartet sind. Als ich ankam, musste man bei Null starten. Als ersten Verein habe ich den Club de Remo La Roca Guatapé gegründet. Es folgte Dragones El Peñol. Wir brauchen drei Vereine, um einen Landesverband zu gründen. Dieses Ziel haben wir jetzt erreicht. Nun wollen wir drei Landesverbände gründen, um dann mit einem eigenständigen kolumbianischen Ruderverband eine noch bessere Basis für die Zukunft zu schaffen. Ich habe im Januar sehr viele Gespräche geführt und es sieht gut aus, dass wir das in absehbarer Zeit schaffen können.
Wieviele Ruderer gibt es?
Ich habe mittlerweile 500 Sportler ausgebildet, rund 300 Schüler von der deutschen Schule. Das Problem aber ist, sie auf Dauer beim Rudern zu halten. Die Mitgliederzahlen in den Vereinen schwanken stark. Ende 2013 hatten wir 88 Trainingsruderer. Zurzeit haben wir in El Peñol 18 aktive Ruderer und in Guatapé 12. Ich hoffe, dass wir mit der Gründung des eigenständigen Verbandes eine bessere Basis schaffen können, indem die finanzielle Förderung besser wird. Somit können wir hoffentlich verhindern, dass talentierte Sportler, die wir im Rudern ausgebildet haben, zu anderen Sportarten wechseln. Wir können unseren Talenten noch zu wenig bieten. Das entscheidende ist, dass die Strukturen verbessert werden.
Wie wird der Rudersport in der Bevölkerung wahrgenommen?
Wir arbeiten zurzeit noch sehr eng mit den Kanuten zusammen. Das Problem ist, wenn die Menschen Remo hören, denken sie mehr an Kanu als an Rudern. Deshalb müssen wir eigenständiger werden. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass das Nationale Olympische Komitee nun vier Ruderer und zwei Trainer für die Südamerikanischen Meisterschaften im April in Brasilien nominiert hat. Auch davon erhoffe ich mir einen Schub. Geplant ist auch ein FISA-Entwicklungscamp für Lateinamerika im Mai mit Teilnehmern aus 20 Nationen.
Wie siehst Du die Zukunft des Rudersports?
Wenn wir es schaffen, die bisherigen Probleme zu beheben, dann sehe ich für den Rudersport in Kolumbien eine große Chance. Ich persönlich wünsche mir auch, dass wir durch unseren Sport das Umweltbewusstsein der Menschen fördern können. Leider werden durch das Gold schürfen unsere Gewässer viel zu stark belastet. Eine meiner Visionen, neben der Sportlichen, ist, dass in El Peñol, wo das Wasser in den Lake Guatapé fließt, regelmäßig Proben entnommen werden, dass Grenzwerte eingehalten werden und dadurch das Wasser im See klarer und sauberer wird. Rudersport und Umweltschutz gehören fest zusammen. Ich könnte mir auch eine Zusammenarbeit mit WWF vorstellen.
Verfolgst Du eigentlich noch den Rudersport in Deutschland?
Nur teilweise: Von ehemaligen Sportlern und Trainerkollegen schon, klar. Aber im Allgemeinen eher weniger: Es gibt ja recht feste Strukturen in Deutschland. Das wiederholt sich Jahr für Jahr bzw. jede Olympiade. Da ändern sich meistens nur die Namen. Jetzt nach Rio gab es schon strukturelle Änderungen, daher ist es z.Zt. etwas spannender. Aber ob diese in die richtige Richtung gehen, bezweifel ich... Spannend finde ich verschiedene, unbekannte Leistungssport-Systeme verschiedener Länder und Kulturen kennen zu lernen und zu überlegen, was man davon lernen und abgucken kann.
Wann warst Du das letzte Mal in Düsseldorf?
Das war Dezember 2015 pünktlich zum Weihnachts-Ergocup, an dem ich auch gerne teilgenommen hätte. Wäre irgendwie lustig gewesen jetzt als "ausländischer" Ruderer dort zu starten. Ich freu mich ja auch aus der Ferne, wenn einige Initiativen aus meiner Zeit erfolgreich weiter geführt werden. Leider ist mir der Temperaturschock und eine Erkältung dazwischen gekommen. Es war trotzdem schön, einige Leute wieder zu sehen!
Wie eng sind noch Deine Kontakte zur Germania?
Anfangs noch sehr eng, aber es ist schon so, dass es von Jahr zu Jahr weniger wird. Es ist halt eine andere Zeitzone und eine ganz andere Welt mit sehr anderweitigen Problemen bzw. Herausforderungen. Sowas ist manchmal schwer zu erklären wenn man es nicht selbst erlebt hat - gesehen und gefühlt. Anfangs hatte ich mir vorgenommen, jeden Monat etwas Persönliches in meinen Blog auf Facebook (Buzzlumbien) zu stellen, aber ich muss zugeben, dass das schnell nachgelassen hat. Ich halte es aber für normal und vielleicht auch notwendig, dass man als integrationswilliger Auswanderer mehr im "Hier und Jetzt" bleibt. Das leben einem die Kolumbianer auch ganz gut vor - und sind meist sehr glücklich damit!
Was vermisst Du aus Düsseldorf?
Gutes Brot, Pünktlich-, Zuverlässig-, Kritikfähigkeit und eine effizientere Arbeitsmoral.
Gibt es Heimweh und was hilft dagegen?
Klar, das kommt schon mal vor. Dann hilft deutscher Besuch (es gibt eine starke deutsche Gemeinschaft in Medellín), ein Skype-Gespräch mit Familie bzw. Freunden oder etwas leckerem zu Essen und deutsches Radio bzw. Fernsehen per Internet. Wie zum Beispiel die Radio-Fußballkonferenz nach dem ersten Training zum zweiten Frühstück – der Zeitunterschied macht's möglich.
Kontakt: RemoOlimpicoColombia@gmail.com
Telefon: +57 316647799
Facebook-Gruppe: Remo Olímpico en Colombia