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Wo bitte ist hier das Ruhrgebiet?
Das ist die Frage, die sich elf Rudernde der Düsseldorfer Germania auf einer Ruhr-Tour von Herdecke nach Kettwig häufig gestellt haben. 65 km durch eine Flusslandschaft, der man zwar die Eingriffe des Menschen ansieht, ebenso die Nutzung durch die Industrie. Die aber heute auf die Wasserreisenden wirkt, als befahre man einen Amazonasarm. Alles ist grün, überall wuchern Pflanzen, Sträucher, Blumen und Bäume, sie bilden eine Kulisse, hinter der die schweren Eingriffe unsichtbar bleiben. Oder sie bilden ein Amalgam, eine Mischung; der unwirkliche Eindruck steigert sich, wenn das wuchernde Grünzeug wie ein kostbarer Bilderrahmen eine alte Backsteinmühle, einen aufgegebenen Förderturm oder eine halb verfallene Schleuse umschmeichelt. Die Augen der Reisenden werden übersättigt! Dass diese Landschaft auch eine Heimat für unzählige, auch seltene Tierarten ist, wird, unterwegs der Fortbewegung geschuldet, nur flüchtig wahrgenommen. Der Eisvogel, der einmal jenseits der Clubflagge den Fluss kreuzt, bleibt nur als kurzer Blitz in Erinnerung.
Am Ende der Fahrt ist die Erkenntnis, „das Ruhrgebiet“ ist ein Vorurteil. Es ist sehr viel mehr und vielseitiger als die schon längst Geschichte gewordene Verbindung zu Kohle und Stahl, zu Dreck und Lärm. Es ist auch Natur, Erholung und Lebensraum; die Hinterlassenschaften der Industrie erleben die Ruderenden als vielfältig genutzte touristische und kulturelle Wegemarken.
Dass eine solche Landschaft erholungssuchende Menschen anzieht, ist unvermeidlich. Menschen, die sich am und im Wasser vergnügen – wie wir Ruderenden eben auch, die sich an vielen Stellen am Ufer Plätze der Ruhe und der Unterhaltung geschaffen haben. Aber das Landschaftsbild wird nicht gestört, es wird ergänzt durch bunte, kontrastreiche Punkte aus Gummibooten, Badekleidung, Sonnenschirmen und den weißen Segeln eleganter Yachten.
Wer jetzt assoziiert, es sei ein Kurzurlaub gewesen, der hat recht, wenn er Urlaub mit Sport, Spaß sowie mit Entdeckergeist und Herausforderungen verbindet. Für den Rudernden ist die Ruhr ein abwechslungsreiches Gewässer. Häufig fließt der Fluss ruhig und gleichmäßig wie ein Wiesenfluss zwischen den Ufern dahin, dann gibt es Abschnitte da rauscht das Wasser wild zwischen den weit in die schmale Fahrrinne reichenden Kribben – Steuerkünste sind gefragt.
Und immer wieder wird der Fluss unterbrochen von Wehren, die einen besonderen Einsatz erfordern, weil die baulichen Anlagen – besonders die für Sportboote - verfallen. Boote ausheben an Stellen und Einbauten, die dafür meist nicht geeignet sind. Einen längeren Fußweg das Boot tragend oder schiebend auf Wegen, die ebenso oft so verbaut wie ungepflegt sind. Die Boote wieder einheben und hoffen, dass beim Ablegen das quertreibende Unterwasser nicht beim ersten Ruderschlag für einen Ausflug in die am Ufer wuchernde Flora sorgt. Aber vielleicht steht hinter der sichtbaren Vernachlässigung der Schleusen, Bootsrutschen und Treidelkanäle ja ein Konzept. Man (in diesem Fall die Bezirksregierung Düsseldorf) lässt die ehemalige Schifffahrtsstraße mit ihren Wehren, Schleusen und Bootsrutschen verfallen, nutzt sie wegen des romantischen und naturnahen Eindrucks im Übergang zum völligen Verfall ein paar Jahre oder Jahrzehnte touristisch und freut sich über den geringen Aufwand für den Unterhalt. Dass man einerseits mit viel Geld für Marketing den Tourismus fördert, aber andererseits die Sachinvestitionen in die Wassersportinfrastruktur meidet, entspricht der üblichen Behördenlogik.
Insofern war es Urlaub! Es waren Herausforderungen zu bewältigen, wir hatten Sport und wir hatten Spaß, zu entdecken gab es reichlich. Die Stimmung war prima, bestimmt gefördert durch gemeinschaftliche Arbeit beim Umtragen und Treideln sowie dem gemeinsamen Abend und die Übernachtung in der Birschel-Mühle – eines der vielen mit neuem Leben gefüllten Industriedenkmale an der Ruhr und ein guter Ort für ermattete Rudersportler.
Bleibt noch der Dank an die Fahrtenleiter Wolfgang und Sven und die übrigen Mitreisenden für ein gut gelungenes Ruder-Wochenende.